Illegale Hausbesetzungen in Spanien haben sich verändert. Sie beschränken sich nicht mehr auf leerstehende Wohnungen in Randgebieten, sondern umfassen nun auch Villen mit Swimmingpools, Ferienhäuser und luxuriöse Penthousewohnungen, die zeitweise unbewohnt sind. Diese Besetzungen gehen nicht mehr von schutzbedürftigen Familien aus, sondern von organisierten Netzwerken, welche die Gesetzeslücken kennen und auszunutzen wissen.
„Hochwertige, leerstehende Immobilien sind zu einem strategischen Ziel für diejenigen geworden, welche die Schwächen des spanischen Rechtssystems genau kennen“, erklärt Sandra Aurrecoechea Ríos, Rechtsanwältin mit Spezialisierung auf Zivil-, Hypotheken- und Immobilienrecht und Partnerin bei Marín & Mateo Abogados. „Es geht nicht mehr um Hausbesetzungen aus der Not heraus, sondern um Gruppen, die gezielt Luxusimmobilien auswählen, wohl wissend, dass die Behörden monatelang brauchen, um zu reagieren.“
Von Sitges bis Marbella: Wo sich hochkarätige Hausbesetzungen abspielen
Das Phänomen konzentriert sich besonders auf Gegenden mit einer hohen Dichte an Zweitwohnungen: die katalanische Küste, die Region Valencia, Madrid und Andalusien. Monatelang leerstehende Villen, schlecht überwachte Wohnanlagen und Immobilien, die sich in einem Erbschaftsverfahren befinden, schaffen ideale Bedingungen für diese Art von Hausbesetzungen.
Laut den neuesten Daten des Innenministeriums (Kriminalstatistikbericht 2024, veröffentlicht im April 2025) führt Katalonien die Liste der gemeldeten Fälle von Hausbesetzung mit 6.300 Vorfällen an – das entspricht 38 % der Gesamtzahl in Katalonien. Es folgen Andalusien, die Region Valencia und Madrid mit jeweils 1.400 bis 3.000 Meldungen pro Jahr.
Obwohl in offiziellen Statistiken nicht zwischen Luxusimmobilien und anderen Arten von Immobilien unterschieden wird, berichten spezialisierte Unternehmen von einem deutlichen Anstieg der Fälle bei hochwertigen Zweitwohnungen in den letzten zwei Jahren.
48 Stunden: Die entscheidende Phase, ob Sie Ihr Haus zurückbekommen oder monatelang warten müssen
Das spanische Recht trifft eine wichtige Unterscheidung, die von vielen Eigentümern übersehen wird: Wenn eine Hausbesetzung innerhalb von 48 Stunden gemeldet wird und einen Haupt- oder Zweitwohnsitz betrifft, kann die Polizei umgehend eingreifen. Ist die Immobilie jedoch offiziell leerstehend oder unbewohnt, ist ein gerichtliches Verfahren erforderlich, das erheblich länger dauert.
„Jede Stunde zählt“, warnt Aurrecoechea. „Aber jeder Schritt muss korrekt erfolgen. Das Unterbrechen der Strom- oder Wasserversorgung, das Auswechseln von Schlössern oder direkte Verhandlungen mit Hausbesetzern können als Nötigung ausgelegt werden. Nur Richter oder die Polizei können eine Räumung anordnen.“
Diese Unterscheidung zwischen Hausfriedensbruch (einer Straftat mit schneller Reaktion) und Hausbesetzung (einem deutlich langsameren zivilrechtlichen Verfahren) nutzen die organisierten Netzwerke genau aus. Sie wissen, dass sich das Gerichtsverfahren über sechs bis achtzehn Monate hinziehen kann, wenn der Eigentümer nicht innerhalb der ersten 48 Stunden handelt.
Im Jahr 2018 verabschiedete die Regierung das Gesetz 5/2018, das sogenannte „Express-Räumungsgesetz“, das die Rückgewinnung illegal besetzter Wohnungen beschleunigen sollte. Theoretisch sollte das Verfahren nur wenige Wochen dauern, in der Praxis war die Wirkung jedoch begrenzt.
„Das spanische Rechtssystem bietet Hausbesetzern weiterhin einen unverhältnismäßigen Schutz im Vergleich zu rechtmäßigen Eigentümern“, kritisiert Aurrecoechea. „Zivilverfahren ziehen sich oft in die Länge, und wenn Hausbesetzer sich auf besondere Schutzbedürftigkeit berufen, greifen die Sozialdienste ein und verzögern die Räumung um Wochen oder Monate.“
Das Ergebnis: Immobilieneigentümer zahlen weiterhin Hypotheken, Steuern und Nebenkosten für eine Immobilie, die sie nicht nutzen können, während Hausbesetzer darin wohnen bleiben und durch ein System geschützt werden, das soziale Belange über Eigentumsrechte stellt.
„Professionelle Hausbesetzer“ – strategisch und keineswegs schutzbedürftig
Die Veränderung des Profils ist offensichtlich: Vor einem Jahrzehnt war Hausbesetzung größtenteils eine Reaktion auf soziale Ausgrenzung, doch heute sind viele Fälle das Ergebnis vorsätzlicher Strategien.
Experten beobachten ein wiederkehrendes Muster: Gruppen spüren leerstehende Häuser über Immobilienplattformen oder soziale Medien auf, verschaffen sich mit professionellem Werkzeug gewaltsam Zutritt, tauschen die Schlösser aus und ziehen mit gefälschten Mietverträgen ein. Einige vermieten sogar Zimmer unter oder geben die Anschrift bei der Meldebehörde an.
„Diese Personen sind sich des Gerichtsverfahrens voll bewusst und wissen, dass sie, sobald sie einmal drin sind, Monate Zeit haben, um zu agieren“, erklärt Aurrecoechea. „Sie legen gefälschte Verträge vor, behaupten, schutzbedürftig zu sein, und legen Verwaltungsbeschwerden ein – alles, um das Verfahren so lange wie möglich zu verzögern.“