
Im Gegensatz zu einer Eigentumsurkunde, die in Wahrheit wenig bis gar keine Bedeutung hat, kommt es in Spanien darauf an, wer als eingetragener Eigentümer vor dem Grundbuchamt erscheint. Anhand eines kuriosen Beispiels möchte ich die wichtige Rolle des Grundbuchamtes in Spanien erläutern.
Im Jahr 2006, als ich noch jung und voller Idealismus war, arbeitete ich für eine englische Anwaltskanzlei im Auftrag eines institutionellen Kreditgebers. Wir wurden von einer älteren Kreditnehmerin angesprochen, die ein Darlehen auf Lebenszeit für ihre Immobilie an der Costa del Sol aufnehmen wollte. Die Dame zeigte uns ihre ursprüngliche Eigentumsurkunde, die vor fast 30 Jahren von einem spanischen Notar beglaubigt worden war. Im Prinzip schien alles in Ordnung zu sein als die Überprüfung begann.
Als ich jedoch eine aktualisierte Nota Simple (Grundbuchauszug) anforderte, war ich schockiert. Es stellt sich heraus, dass ihre Immobilie immer noch unter dem Namen ihres Bauträgers eingetragen war – desselben Bauträgers, der ihr drei Jahrzehnte zuvor die Off-Plan-Immobilie verkauft hatte!
Sie beging den schwerwiegenden Fehler, damals nicht ihren eigenen Anwalt mit der Eigentumsübertragung zu beauftragen, sondern verließ sich blind auf den Anwalt des Bauträgers, der die ganze Arbeit erledigte! Sie hatte dem Bauträger in aller Seelenruhe anvertraut, die Immobilie auf ihren Namen eintragen zu lassen, was natürlich nie geschah. Dieser Fehler wurde durch die Tatsache verschlimmert, dass sie sich nie die Mühe gemacht hatte, nach dem Verkauf zu überprüfen, ob die Immobilie tatsächlich auf ihren Namen eingetragen war.
Rechtlich gesehen war der Bauträger drei Jahrzehnte später immer noch Eigentümer ihres Grundstücks! Sie mögen denken, dass dies ein Einzelfall ist oder ein Zufall, aber da irren Sie sich gewaltig. Ich sage Ihnen, dass dies nicht der Fall ist, denn ich habe im Durchschnitt alle zwei Monate mit solchen Fällen zu tun.
Dieses Beispiel zeigt, welche (große) Bedeutung das spanische Grundbuchamt hat. Sie war sich sicher, dass ihre Eigentumsurkunde ihr Eigentum kategorisch bewies und hatte sie sogar sicher in einem schicken Safe aufbewahrt! In Wirklichkeit war ihre Eigentumsurkunde rechtlich gesehen bedeutungslos.
In Spanien haben wir ein solides zweistufiges System (Notar und Grundbuchamt), das Eigentumsrechte sichert und das ich persönlich sehr gut finde.
Es kommt in Spanien darauf an, wer vor dem Grundbuchamt als eingetragener Eigentümer erscheint. Denn nur diese Person kann das Grundstück nach eigenem Ermessen verkaufen, vermieten oder veräußern.
Mein Beispiel erläutert einmal mehr das Motto des spanischen Grundbuchamtes: „Prior in tempore, potior in iure“, was grob übersetzt bedeutet: „Wer zuerst kommt, hat mehr Recht.“ Oder umgangssprachlich: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Derjenige, der zuerst sein Recht geltend macht, hat den besseren Anspruch auf ein Grundstück.