
Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Barcelonas Bürgermeister Jaume Collboni kündigte an, bis November 2028 die 10.101 Lizenzen für Touristenunterkünfte in der Stadt zu entziehen. Ziel sei es laut Stadtrat, „Wohnungen für Wohnzwecke freizugeben“ und den Zugang zu Wohnraum zu verbessern. Doch die Reaktion der Branche ließ nicht lange auf sich warten. Für viele ist dies nicht nur eine Regulierungsmaßnahme, sondern ein direkter Angriff auf ein etabliertes Wirtschaftsmodell. Wir sprachen mit Tourismus- und Immobilienexperten, um die möglichen Folgen dieser Entscheidung nicht nur in Barcelona, sondern in ganz Spanien zu analysieren.
„Das ist nicht Ordnung schaffen, sondern Zerstörung“
Silvia Blasco, Vorsitzende des spanischen Verbandes der Vereinigungen für Touristenunterkünfte und Ferienwohnungen (Fevitur), stellt klar: „Was der Stadtrat von Barcelona vorschlägt, ist keine Korrektur, sondern eine Amputation.“ Ihrer Ansicht nach läuft dieser Schritt auf die gezielte Demontage eines Wirtschaftsmodells hinaus, das „über 1,9 Milliarden Euro BIP generiert und 40.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze sichert.“
Blasco warnt vor einem möglichen Domino-Effekt, die diese Entscheidung auf andere Städte haben könnte: „Was in Barcelona passiert, ist ein Pilotversuch, um zu sehen, wie weit eine lokale Behörde gehen kann, wenn sie aus ideologischen Gründen ihr Tourismuskapital, ihre lokale Wirtschaft und ihren internationalen Ruf opfert.“ Sie mahnt noch allgemeiner: „Heute betrifft es Touristenunterkünfte; morgen könnten es Restaurants, der Einzelhandel oder andere regulierte Aktivitäten sein.“
Blasco ist der Meinung, dass Ferienunterkünfte nicht gänzlich verschwinden werden, aber ihre Legitimität werde „untergraben und in ihrer am stärksten regulierten Form verfolgt.“ Sie kommt zu dem Schluss: „Was verschwinden wird, ist das legale Modell – jenes, das Steuern zahlt, Arbeitsplätze schafft und zu hochwertiger Beschäftigung beiträgt. Barcelona riskiert, seinen Status als führendes europäisches Reiseziel zu verlieren. Nicht, weil es an Attraktivität mangelt, sondern weil die Institutionen der Stadt es nicht schaffen, sie klug zu verwalten. Man kann keine Stadt aufbauen, indem man alles zerstört, was sie florieren ließ.“
„Rechtsunsicherheit wird Investitionen abschrecken“
Juanjo Bande, ein auf touristische Vermietungen spezialisierter Berater, geht davon aus, dass die Auswirkungen der Maßnahme „erheblich und vielschichtig“ sein werden. Er hebt mehrere unmittelbare Folgen hervor: „Barcelonas sinkende Attraktivität als Investitionsstandort, die Abwanderung spezialisierter Unternehmen, steigende Hotelpreise, ein Verlust an Vielfalt im touristischen Angebot und ein sinkendes Vertrauen in die Stadt als Wohn- und Investitionsstandort.“
Bande warnt zudem vor einem bevorstehenden Paradigmenwechsel: „Viele Menschen, die in den vergangenen Jahrzehnten in Barcelona in Immobilien investiert haben, taten dies unter einem Rechtsrahmen, der sich nun grundlegend ändert.“ Seiner Ansicht nach könnte die zunehmende Rechtsunsicherheit den Ruf der Stadt nachhaltig schädigen.
Bande weist jedoch darauf hin, dass diese Maßnahme im kommunalen Rahmen umgesetzt wird: „Barcelona ist zwar symbolisch wichtig, macht aber nur etwa 3 % der spanischen Bevölkerung und einen ähnlichen Anteil am touristischen Mietmarkt aus.“ Da jede Stadtverwaltung über eigene städtebauliche Befugnisse verfügt und je nach den örtlichen Gegebenheiten handelt, glaubt er nicht, dass dies ein endgültiges Ende der Ferienvermietung bedeutet: „In den letzten zwölf Monaten wurden in Spanien fast 10 Millionen Mal eine Ferienwohnung vermietet. Das zeugt von einer soliden und anhaltenden Nachfrage.“
Wir erleben einen Paradigmenwechsel, ähnlich wie bei der Reform des städtischen Mietgesetzes von 2013, welche die Regulierungsbefugnisse für touristische Unterkünfte an die Autonomen Gemeinschaften übertrug. Heute, da die Stadtplanung zum zentralen Regulierungsinstrument wird, tritt der Sektor in eine neue Phase ein.
Mit Blick auf die Zukunft prognostiziert Bande eine Transformation des Modells hin zu „digitalen oder flexiblen Vermietungen“, bei denen sich Ferienvermietungen, mittelfristige Aufenthalte und Zimmervermietungen zunehmend überschneiden werden. Er identifiziert drei wesentliche Trends: zunehmende Digitalisierung, stärkere Professionalisierung und komplexere städtische Vorschriften, die eine fachkundige technische Beratung erfordern werden.
„Das Hotel wird Marktanteile gewinnen, allerdings auf Kosten einer Angebotsbeschränkung“
Carolina Pérez, Leiterin des Büros von Colliers in Barcelona, stimmt zu, dass die Veränderung erheblich sein wird. „Die größten Auswirkungen werden ab 2029 spürbar sein, wenn die Nachfrage nach Kurzzeitunterkünften umgelenkt werden muss. Nicht die Nachfrage wird sich ändern, sondern der rechtliche Rahmen, der diese Art von Dienstleistungen unterstützt.“ In diesem Zusammenhang weist sie darauf hin, dass die Hotelbranche davon profitieren wird, da sie einen größeren Marktanteil in einer Stadt einnehmen wird, in der „das Angebot bereits knapp ist und die Entwicklung neuer Hotelprodukte eine echte Herausforderung darstellt“.
Pérez rechnet zudem damit, dass viele Immobilienbesitzer ihre Strategie überdenken müssen: „Sie werden diese Immobilien langfristig vermieten müssen – oft mit Preiskontrollen – oder sie ganz verkaufen müssen.“ Dennoch glaubt sie nicht, dass Barcelonas Entscheidung einen unumkehrbaren Wandel für den Rest Spaniens markiert: „Barcelona ist bei derartigen Regelungen oft führend, aber das garantiert nicht, dass andere Regionen diesem Beispiel folgen werden.“
Sie räumt jedoch ein, dass Städte mit starkem Tourismusdruck wie Madrid, San Sebastián und Málaga ähnliche Maßnahmen in Erwägung ziehen könnten. Sie plädiert jedoch für einen gemäßigteren Ansatz: „Um ein echtes Gleichgewicht zwischen Wohn- und Touristennutzung zu erreichen, sollten wir flexiblere Lösungen in Betracht ziehen oder das Wohnungsangebot durch alternative Modelle erweitern.“
Droht der Markt für Ferienunterkünfte zu verschwinden?
Die drei Experten sind sich einig, dass das Modell der Ferienvermietung nicht verschwinden, sondern sich grundlegend wandeln wird. Der rechtliche Rahmen wird sich zwangsläufig verändern und die Funktionsweise der Branche neu gestalten. „Möglicherweise stehen wir vor einer Phase besserer Stadtplanung und einer verbesserten Koexistenz verschiedener Nutzungsarten mit professionelleren Unterkünften“, sagt Carolina Pérez.
Das traditionelle Modell, das weitgehend von kleinen, individuellen Vermietern betrieben wird, könnte strukturierteren Formaten wie Co-Living-Spaces oder Serviced Apartments weichen, die sich in ausgewiesenen Touristengebieten konzentrieren und von spezialisierten Betreibern verwaltet werden. Ferienwohnungen werden voraussichtlich weiterhin bestehen bleiben, allerdings innerhalb eines neuen, stärker regulierten, professionelleren – und, wie manche argumentieren, weniger freien – Ökosystems.