Die neuen Technologien bieten viele Vorteile. In wenigen Sekunden können Sie ein Bankkonto mit einem Selfie eröffnen, das Smartphone mit Ihrem Fingerabdruck sperren, die Heizung einschalten oder die Steuererklärung einreichen.
Wenn es allerdings darum geht, eine Finanzierung abzuschließen, ist das Ganze nicht mehr so einfach, wie es klingt. Nach Angaben der Experten werden in diesem Bereich bereits große Fortschritte gemacht: Sie können ein Darlehen für den Kauf einer Immobilie über das Internet beantragen und sogar die Zustimmung der Bank erhalten. Dennoch bleibt noch einiges zu tun, bis die Finanzierung komplett zu 100% über das Internet abgeschlossen werden kann – vor allem aus Sicht des Kunden.
Obwohl Sie bei traditionellen spanischen Banken wie Santander und BBVA bereits ein Darlehen online beantragen können und bei Direktbanken wie ING, Openbank (Santander) oder Coinc (Bankinter) noch einen Schritt weitergehen können, weist der Finanzierungsrechner idealista/hipotecas darauf hin, dass „eine 100% online abgeschlossene Finanzierung für den Kunden bedeutet, sämtliche Dokumentation digitalisieren und hochladen zu müssen. Ein Darlehen ist jedoch ein sehr komplexes Produkt, deren Abschluss Zeit in Anspruch nimmt und außerdem viele Zweifel aufkommen lässt und Kontaktpersonen erforderlich macht, mit denen alle auftretenden Fragen geklärt werden können.“
Wenn Sie ein Darlehen für den Kauf einer Immobilie abschließen, müssen Sie in der Bank verschiedene Dokumente vorlegen: Fotokopien des Personalausweises aller Eigentümer, Steuererklärung, die letzten Gehaltsabrechnungen oder Rentenzahlungen, Zahlungsbeleg für die spanische Grundsteuer (Impuesto de Buenes Inmuebles – IBI) falls Sie weitere Immobilien besitzen oder den Mietvertrag, wenn Sie zur Miete wohnen. Abgesehen davon, dass die Bank ein Gutachten der Immobilie fordert und Sie für die Unterzeichnung des Kaufvertrages einen Notar benötigen und eine entsprechende Eintragung ins Grundbuch.
Zusätzlich zu der Zeit, die für die Vorbereitung und den Versand dieser Unterlagen an die Bank beansprucht wird, benötigt der Antragsteller einen direkten Gesprächspartner, der ihn durch den Prozess begleitet. „Die überwiegende Mehrheit der Kunden kennt den Hypothekenmarkt nicht gut genug, um den gesamten Vertrag vollständig verstehen und den oft langwierigen und komplexen Prozess abschließen zu können. Derzeit übertragen die Banken die gesamte Arbeit an den Verbraucher, was die Attraktivität des Angebots einschränkt, wenn keine alternativen Kanäle angeboten werden,“ argumentiert idealista/hipotecas.
Sobald die Bank den Antrag des Kunden erhalten hat, analysiert der Risikoausschuss alle Unterlagen und gewährt oder lehnt das Darlehen ab (das Ergebnis bei der Beantragung über das Internet erfolgt praktisch sofort, während es auf dem traditionellen Weg eine Woche dauert). Ist das Ergebnis positiv, sendet die Bank dem Kunden eine personalisierte Datei mit den Einzelheiten des Finanzierungsangebots, das der Kunde akzeptieren muss. Sobald der Verbraucher das Angebot annimmt, und nachdem die Immobilie bewertet wurde und alle Unterlagen durchgesehen wurden, leitet die Bank alles an den Notar weiter, um den Kauf- und Finanzierungsvertrag (escritura) vorzubereiten, den der Darlehensnehmer überprüfen muss, bevor er ihn bindend unterzeichnet.
Gerade während der letzten Schritte des Prozesses können beim Kunden Zweifel aufkommen: Enthält der Vertrag Missbrauchsklauseln? Bin ich über gut genug über sämtliche Risiken informiert, die mit der Unterzeichnung des Darlehensvertrages verbunden sind? An wen kann ich mich bei Problemen wenden?
Die Probleme häufen sich, denn ein weiterer Nachteil der aktuell bestehenden Finanzierungsprozesse über das Internet besteht darin, dass der zukünftige Darlehensnehmer sich selbst die Tür für eine Verbesserung der Finanzierungsbedingungen schließen könnte. Obwohl wir uns in einem außergewöhnlichen Zeitpunkt für variable und festverzinsliche Darlehen befinden, bemühen sich die Banken immer stärker darum, jedem Kunden individuell angepasste Finanzierungsmöglichkeiten anzubieten und neigen eher dazu, ihr ursprüngliches Angebot zu verbessern und sich persönlich für den Antrag einzusetzen, wenn sie den Kunden persönlich kennen. Laut idealista/hipotecas geht dies soweit, dass die traditionellen Banken variabel verzinste Darlehen mit einem durchschnittlichen Zinssatz von 0,89% + Euribor anbieten, im Vergleich zu 0,99% + Euribor der Direktbanken.
Heißt das, dass es keinen Zweck hat, den Finanzierungsprozess zu automatisieren? Nicht ganz. Im Prinzip ist es eine positive Tendenz, solange zwei Kriterien erfüllt werden: Der Prozess hat mehr Vorteile für den Kunden als für die Bank und stellt eine Alternative dar, keineswegs jedoch die einzige Möglichkeit, eine Immobilie zu kaufen.